Thursday, 1 January 2015

Buddhas Vier Vorsätze für das Neue Jahr [Deutsch]

Gut, üblicherweise werden sie als die Vier Unermesslichen Eigenschaften oder Gebete bezeichnet [Anm.d.Ü.: Siehe auch "brahmavihara" bzw. "die vier himmlischen Verweilzustände"].

Die Gesellschaft sagt, dass wir nicht gut genug, nicht reich genug oder nicht dünn genug sind. Aber was wäre, wenn wir die übliche Neujahrsvorsatz-Falle umstoßen und etwas tun würden, was tatsächlich funktioniert?

Die meisten Neujahrsvorsätze basieren darauf, nicht glücklich zu sein, oder nicht das zu haben, was wir wollen, oder hübscher, dünner oder besser organisiert sein zu wollen. Doch was wäre, wenn wir damit anfangen würden, uns selbst mit "maitri", bzw. liebender Güte, zu akzeptieren und dieses echte Glück nach außen weiterzureichen?

Buddha hat uns vier unermessliche Eigenschaften angewiesen, die es wert sind zu kultivieren. Die erste Meditationsübung lautet:

Mögen alle fühlenden Wesen sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen 

Rezitiere für Dich selbst die folgenden [Mantras] jeweils für einige Minuten. Rede danach mit einem Freund, mit Freunden oder mit Kollegen darüber, wenn du diese Einkehr in einer Gruppe vollzogen hast. 

Rezitiere zuerst "Möge ich mich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Möge mein(e) Liebste(r) [Name, oder auch Mutter oder Vater] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen meine besten Freunde [mehrere Namen möglich] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen diejenigen, die mir gleichgültig sind, sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Möge mein 'Feind' [Name] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen alle fühlenden Wesen sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."

Das klingt alles ganz nett, oder? Aber warte ab: das ist harter Stoff. Diese vier Meditationsübungen zu rezitieren ist üblicherweise, als würde man einen neuen Muskel trainieren. Doch uns selbst Glück zu wünschen? Einigen unter uns fällt das schwer- wir verdienen es nicht, wir sind es nicht wert, wir sollten uns nicht an die erste Stelle setzen, wir sollten unser Licht unter den Scheffel stellen. Mir hingegen macht dieser Punkt die Dinge einfacher: er hilft mir auszuführen und zu erläutern, was ich unter dem Glück und dem Ursprung des Glückes verstehe.

Denn zumindest im Westen ist Glück etwas, dass uns verkauft wird, dass uns aufgedrängt wird, dass für uns aufgebauscht wird … und es führt selten zu Glücklichsein. Wir können uns selbst nicht durch Produkte, Gewichtsverlust oder Liebe glücklich machen. Glück ist viel elementarer als das. Chogyam Trungpa, der buddhistische Meditationslehrer, hat uns dazu angehalten einander keinen "Glückwunsch zum Geburtstag" zuzurufen, sondern eher einen fröhlichen Geburtstag zu wünschen. Denn Glück ist ein bedingter Geisteszustand, gegenüber dem elementaren Seinszustand, den Zufriedenheit, Fröhlichkeit oder Vertrautheit voraussetzen. Und bedingte Geisteszustände – glücklich, traurig, gut, schlecht, verliebt, mit gebrochenem Herzen – sind Leiden, der zyklische Zustand des Wegstoßens und Festklammerns, der "samsara" genannt wird.

Daher wünschen wir uns selbst oder anderen kein bedingtes Glück. Wir wünschen elementares Glück, der Ursprung des Glückes.

Und wir wünschen es nicht nur uns selbst, unseren Liebsten, unseren besten Freunden … sondern auch denen, die wir als selbstverständlich erachten oder die uns gleichgültig sind. Den Baristas oder Kellnern oder Postbotinnen oder denjenigen, die wir nicht gut kennen oder die uns nicht viel bedeuten.

Und wir wünschen es unseren "Feinden" – denjenigen, die uns herausfordern, die uns verärgern, die uns schlecht behandeln. Wir wünschen ihnen elementares Glück, denn wie es das Sprichwort sagt, kann nur Liebe unsere Feinde zu unseren Freunden machen. Und selbst wenn das nicht unsere Absicht ist – denn einige schwierige Menschen gehören nicht in unser Leben –, können wir unsere Haltung von Unruhe und Bestürzung hin zu Güte verändern.

Und schließlich wünschen wir es allen empfindsamen Wesen – Tigern, Grashalmen, Mäusen, Hunden, Katzen, Vögeln, allen Menschen an jedem Ort der Welt – denjenigen, die diese Produkte herstellen, die der Kapitalismus uns aufdrängt … jedem.

Und dadurch, dass wir das tun, verändert dieses Gebet gar nichts – außer uns selbst. Und dadurch, dass wir uns verändern, verändern wir in der Masse die Gesellschaft und die Welt.

Gedanken zu den vier unermesslichen Eigenschaften

Und nun zu den Worten der Weisheit von Pema Chödrön zu den vier unermesslichen Eigenschaften aus ihrem Buch "The Places That Scare You" (www.shambhala.com, Quelle [Englisch]).

Es ist unsere Entscheidung.

Wir können unser Leben damit verbringen unseren Unmut und unser Verlangen zu fördern, oder wir können den Pfad des Kriegers erkunden, indem wir Aufgeschlossenheit und Mut in uns pflegen. Die meisten von uns stärken immer weiter unsere schlechten Gewohnheiten und säen dadurch die Saat unseres eigenen Leidens. Die bodhichitta-Übungen jedoch, eröffnen uns Wege, um die Saat für Wohlergehen zu säen. Besonders kraftvoll ist das Bestreben um die vier unermesslichen Eigenschaften – liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.

Bei diesen Übungen beginnen wir direkt an der eigenen Haustür: Wir drücken den Wunsch aus, dass wir selbst und unsere Liebsten sich des Glückes erfreuen und frei von Leiden sind. Dann weiten wir diese Bestrebung schrittweise auf einen immer größeren Kreis zwischenmenschlicher Beziehungen aus. Wir fangen dort an, wo die Bestrebungen sich authentisch anfühlen. Wir fangen damit an anzuerkennen, wo wir bereits Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut empfinden. Wir stellen fest, in welchen Situationen wir Erlebnisse mit diesen vier unermesslichen Eigenschaften gemacht haben, wie begrenzt diese auch sein mögen: in unserer Liebe zur Musik, in unserem Einfühlungsvermögen bei Kindern, in der Freude, die wir empfinden, wenn wir gute Nachrichten hören, oder in der Gelassenheit, die wir empfinden, wenn wir mit guten Freunden zusammen sind. Selbst wenn wir möglicherweise denken, dass das, was wir bereits an Erfahrungen machen, zu dürftig ist, fangen wir trotzdem damit an und pflegen es. Es muss nicht groß sein.

Das Fördern dieser vier Eigenschaften schenkt uns einen Einblick in unsere derzeitige Erfahrungswelt. Es schenkt uns das Verständnis über den derzeitigen Zustand unseres Geistes und unseres Herzens. Wir lernen die Erfahrung von Liebe und Mitgefühl, von Mitfreude und Gleichmut, und auch von deren Gegensätzen kennen. Wir erfahren, wie es sich anfühlt, wenn eine dieser vier Eigenschaften blockiert ist und wie es sich anfühlt, wenn sie frei fließt. Wie machen uns selbst nie vor, etwas zu fühlen, was wir nicht fühlen. Die Übung beruht darauf, die Erfahrung in ihrer Gesamtheit anzunehmen. Indem wir damit vertraut werden, wie wir uns einer Sache verschließen und wie wir uns einer Sache öffnen, erwecken wir unser gesamtes grenzenloses Potential.

Obwohl wir diese Übung mit dem Bestreben beginnen, dass wir selbst oder unsere Liebsten frei von Leiden sind, mag es sich anfühlen, als ob wir nur Worte von uns geben. Selbst dieser mitfühlende Wunsch für diejenigen, die uns am nächsten stehen, mag sich unecht anfühlen. Doch solange wir uns nicht selbst etwas vormachen, kann dieses Vorgeben die Kraft haben, bodhichitta [A.d.Ü.: "Geist der Erleuchtung", siehe auch hier] zu enthüllen. Obwohl wir genau wissen, was wir fühlen, vollziehen wir diese Bestrebungen, um über das hinaus zu gehen, was zum jetzigen Zeitpunkt möglich erscheint. Nachdem wir uns um uns selbst und unsere Nächsten gekümmert haben, greifen wir noch weiter: wir bringen den Menschen in unserem Leben Wohlwollen entgegen, die in unserem Leben keine Rolle spielen, und den Menschen, die wir nicht mögen.

Die Worte „Möge diese Person, die mich auf die Palme bringt glücklich und frei von Leiden sein“ auszusprechen, mag sich anfühlen, als ob man sich selbst etwas vorspielt. Diese Übung ist wie ein Workout, das das Herz über seine jetzigen Fähigkeiten hinaus ausdehnt. Wir können davon ausgehen, auf Widerstand zu stoßen. Wir entdecken, dass wir Grenzen haben: wir können bestimmten Menschen gegenüber offen sein, anderen gegenüber bleiben wir jedoch verschlossen. Wir sehen beides, unsere Klarheit und unsere Verwirrung. Wir lernen aus erster Hand, was jeder gelernt hat, der jemals diesen Weg beschritten hat: wir sind alle eine paradoxes Bündel großen Potentials, das gleichzeitig aus Neurosen als auch aus Weisheit besteht.

Diese Bestrebungen unterscheiden sich davon, Beteuerungen zu machen. Beteuerungen sind, als würde man sich selbst vormachen, dass man mitfühlend und tapfer ist, um die Tatsache zu verbergen, dass man sich heimlich wie ein Verlierer fühlt. Indem wir die vier unermesslichen Eigenschaften üben, versuchen wir uns weder von irgendetwas zu überzeugen, noch versuchen wir unsere wahren Gefühle zu verbergen. Wir drücken unsere Bereitschaft aus, unsere Herzen zu öffnen und uns unseren Ängsten zu nähern. Diese Bestrebungen helfen uns, dies auch in immer schwereren zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun.

Wenn wir die Liebe, das Mitgefühl, die Mitfreude und den Gleichmut anerkennen, die wir jetzt fühlen, und durch diese Übungen nähren, wird die Ausdehnung dieser Eigenschaften von selbst erfolgen. Die vier Eigenschaften in uns zu erwecken, schenkt uns die Wärme, die nötig ist, damit grenzenlose Kraft entstehen kann. Sie haben die Kraft, nutzlose Gewohnheiten zu lockern und die eisige Härte unserer Fixierungen und Abwehrreaktionen dahinschmelzen zu lassen. Wir zwingen uns nicht selbst, gut zu sein.

Wenn wir sehen, wie kalt oder aggressiv wir sein können, verlangen wir nicht von uns selbst, Reue zu empfinden. Vielmehr entfalten diese Bestrebungen unsere Fähigkeit, bei jeglichen Erfahrungen, die wir machen, unerschütterlich zu bleiben. Auf diese Weise erfahren wir den Unterschied zwischen einem verschlossenen und einem offenen Geist und entfalten Schritt für Schritt die Selbsterkenntnis und Güte, durch die wir anderen Nutzen können. Diese Übungen setzen unsere Liebe und Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut frei und zapfen ihr grenzenloses Wachstumspotential an ...

[To read this article in English, please go to: | Um diesen Artikel auf Englisch zu lesen, besuchen Sie bitte: "The Buddha's Four New Year's Resolutions"]

Von Waylon Lewis*

(Source|Quelle: elephantjournal.com
Transl.|Übers.: Nicolas von Kospoth)


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* Waylon Lewis, ist ein amerikanischer Buddhist, Gründer des "elephant magazine", jetzt elephantjournal.com, und Veranstalter von "Walkthe Talk Show with Waylon Lewis".

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