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Die
Gesellschaft sagt, dass wir nicht gut genug, nicht reich genug oder
nicht dünn genug sind. Aber was wäre, wenn wir die übliche
Neujahrsvorsatz-Falle umstoßen und etwas tun würden, was
tatsächlich funktioniert?
Die
meisten Neujahrsvorsätze basieren darauf, nicht glücklich zu sein,
oder nicht das zu haben, was wir wollen, oder hübscher, dünner oder
besser organisiert sein zu wollen. Doch was wäre, wenn wir damit
anfangen würden, uns selbst mit "maitri", bzw. liebender
Güte, zu akzeptieren und dieses echte Glück nach außen
weiterzureichen?
Buddha
hat uns vier unermessliche Eigenschaften angewiesen, die es wert sind
zu kultivieren. Die erste Meditationsübung lautet:
Rezitiere für Dich selbst die folgenden [Mantras] jeweils für einige Minuten. Rede danach mit einem Freund, mit Freunden oder mit Kollegen darüber, wenn du diese Einkehr in einer Gruppe vollzogen hast.
Rezitiere zuerst "Möge ich mich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Möge mein(e) Liebste(r) [Name, oder auch Mutter oder Vater] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen meine besten Freunde [mehrere Namen möglich] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen diejenigen, die mir gleichgültig sind, sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Möge mein 'Feind' [Name] sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Rezitiere dann "Mögen alle fühlenden Wesen sich des Glückes und des Ursprungs des Glückes erfreuen. ..."
Das
klingt alles ganz nett, oder? Aber warte ab: das ist harter Stoff.
Diese vier Meditationsübungen zu rezitieren ist üblicherweise, als
würde man einen neuen Muskel trainieren. Doch uns selbst Glück zu
wünschen? Einigen unter uns fällt das schwer- wir verdienen es
nicht, wir sind es nicht wert, wir sollten uns nicht an die erste
Stelle setzen, wir sollten unser Licht unter den Scheffel stellen.
Mir hingegen macht dieser Punkt die Dinge einfacher: er hilft mir
auszuführen und zu erläutern, was ich unter dem Glück und dem
Ursprung des Glückes verstehe.
Denn
zumindest im Westen ist Glück etwas, dass uns verkauft wird, dass
uns aufgedrängt wird, dass für uns aufgebauscht wird … und es
führt selten zu Glücklichsein. Wir können uns selbst nicht durch
Produkte, Gewichtsverlust oder Liebe glücklich machen. Glück
ist viel elementarer als das. Chogyam Trungpa, der buddhistische
Meditationslehrer, hat uns dazu angehalten einander keinen
"Glückwunsch zum Geburtstag" zuzurufen, sondern eher einen
fröhlichen Geburtstag zu wünschen. Denn Glück ist ein bedingter
Geisteszustand, gegenüber dem elementaren Seinszustand, den
Zufriedenheit, Fröhlichkeit oder Vertrautheit voraussetzen. Und
bedingte Geisteszustände – glücklich, traurig, gut, schlecht,
verliebt, mit gebrochenem Herzen – sind Leiden, der zyklische
Zustand des Wegstoßens und Festklammerns, der "samsara"
genannt wird.
Daher
wünschen wir uns selbst oder anderen kein bedingtes Glück. Wir
wünschen elementares Glück, der Ursprung des Glückes.
Und
wir wünschen es nicht nur uns selbst, unseren Liebsten, unseren
besten Freunden … sondern auch denen, die wir als
selbstverständlich erachten oder die uns gleichgültig sind. Den
Baristas oder Kellnern oder Postbotinnen oder denjenigen, die wir
nicht gut kennen oder die uns nicht viel bedeuten.
Und
wir wünschen es unseren "Feinden" – denjenigen, die uns
herausfordern, die uns verärgern, die uns schlecht behandeln. Wir
wünschen ihnen elementares Glück, denn wie es das Sprichwort sagt,
kann nur Liebe unsere Feinde zu unseren Freunden machen. Und selbst
wenn das nicht unsere Absicht ist – denn einige schwierige Menschen
gehören nicht in unser Leben –, können wir unsere Haltung von
Unruhe und Bestürzung hin zu Güte verändern.
Und
schließlich wünschen wir es allen empfindsamen Wesen – Tigern,
Grashalmen, Mäusen, Hunden, Katzen, Vögeln, allen Menschen an jedem
Ort der Welt – denjenigen, die diese Produkte herstellen, die der
Kapitalismus uns aufdrängt … jedem.
Und
dadurch, dass wir das tun, verändert dieses Gebet gar nichts –
außer uns selbst. Und dadurch, dass wir uns verändern, verändern
wir in der Masse die Gesellschaft und die Welt.
Gedanken
zu den vier unermesslichen Eigenschaften
Und
nun zu den Worten der Weisheit von Pema Chödrön zu den vier
unermesslichen Eigenschaften aus ihrem Buch "The Places That
Scare You" (www.shambhala.com,
Quelle
[Englisch]).
Es
ist unsere Entscheidung.
Wir
können unser Leben damit verbringen unseren Unmut und unser
Verlangen zu fördern, oder wir können den Pfad des Kriegers
erkunden, indem wir Aufgeschlossenheit und Mut in uns pflegen. Die
meisten von uns stärken immer weiter unsere schlechten Gewohnheiten
und säen dadurch die Saat unseres eigenen Leidens. Die
bodhichitta-Übungen jedoch, eröffnen uns Wege, um die
Saat für Wohlergehen zu säen. Besonders kraftvoll ist das Bestreben
um die vier unermesslichen Eigenschaften – liebende Güte,
Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.
Bei
diesen Übungen beginnen wir direkt an der eigenen Haustür: Wir
drücken den Wunsch aus, dass wir selbst und unsere Liebsten sich des
Glückes erfreuen und frei von Leiden sind. Dann weiten wir diese
Bestrebung schrittweise auf einen immer größeren Kreis
zwischenmenschlicher Beziehungen aus. Wir fangen dort an, wo die
Bestrebungen sich authentisch anfühlen. Wir fangen damit an
anzuerkennen, wo wir bereits Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und
Gleichmut empfinden. Wir stellen fest, in welchen Situationen wir
Erlebnisse mit diesen vier unermesslichen Eigenschaften gemacht
haben, wie begrenzt diese auch sein mögen: in unserer Liebe zur
Musik, in unserem Einfühlungsvermögen bei Kindern, in der Freude,
die wir empfinden, wenn wir gute Nachrichten hören, oder in der
Gelassenheit, die wir empfinden, wenn wir mit guten Freunden zusammen
sind. Selbst wenn wir möglicherweise denken, dass das, was wir
bereits an Erfahrungen machen, zu dürftig ist, fangen wir trotzdem
damit an und pflegen es. Es muss nicht groß sein.
Das
Fördern dieser vier Eigenschaften schenkt uns einen Einblick in
unsere derzeitige Erfahrungswelt. Es schenkt uns das Verständnis
über den derzeitigen Zustand unseres Geistes und unseres Herzens.
Wir lernen die Erfahrung von Liebe und Mitgefühl, von Mitfreude und
Gleichmut, und auch von deren Gegensätzen kennen. Wir erfahren, wie
es sich anfühlt, wenn eine dieser vier Eigenschaften blockiert ist
und wie es sich anfühlt, wenn sie frei fließt. Wie machen uns
selbst nie vor, etwas zu fühlen, was wir nicht fühlen. Die Übung
beruht darauf, die Erfahrung in ihrer Gesamtheit anzunehmen. Indem
wir damit vertraut werden, wie wir uns einer Sache verschließen und
wie wir uns einer Sache öffnen, erwecken wir unser gesamtes
grenzenloses Potential.
Obwohl
wir diese Übung mit dem Bestreben beginnen, dass wir selbst oder
unsere Liebsten frei von Leiden sind, mag es sich anfühlen, als ob
wir nur Worte von uns geben. Selbst dieser mitfühlende Wunsch für
diejenigen, die uns am nächsten stehen, mag sich unecht anfühlen.
Doch solange wir uns nicht selbst etwas vormachen, kann dieses
Vorgeben die Kraft haben, bodhichitta [A.d.Ü.: "Geist
der Erleuchtung",
siehe
auch hier]
zu enthüllen. Obwohl wir genau wissen, was wir fühlen, vollziehen
wir diese Bestrebungen, um über das hinaus zu gehen, was zum
jetzigen Zeitpunkt möglich erscheint. Nachdem wir uns um uns selbst
und unsere Nächsten gekümmert haben, greifen wir noch weiter: wir
bringen den Menschen in unserem Leben Wohlwollen entgegen, die in
unserem Leben keine Rolle spielen, und den Menschen, die wir nicht
mögen.
Die
Worte „Möge diese Person, die mich auf die Palme bringt glücklich
und frei von Leiden sein“ auszusprechen, mag sich anfühlen, als ob
man sich selbst etwas vorspielt. Diese Übung ist wie ein Workout,
das das Herz über seine jetzigen Fähigkeiten hinaus ausdehnt. Wir
können davon ausgehen, auf Widerstand zu stoßen. Wir entdecken,
dass wir Grenzen haben: wir können bestimmten Menschen gegenüber
offen sein, anderen gegenüber bleiben wir jedoch verschlossen. Wir
sehen beides, unsere Klarheit und unsere Verwirrung. Wir lernen aus
erster Hand, was jeder gelernt hat, der jemals diesen Weg beschritten
hat: wir sind alle eine paradoxes Bündel großen Potentials, das
gleichzeitig aus Neurosen als auch aus Weisheit besteht.
Diese
Bestrebungen unterscheiden sich davon, Beteuerungen zu machen.
Beteuerungen sind, als würde man sich selbst vormachen, dass man
mitfühlend und tapfer ist, um die Tatsache zu verbergen, dass man
sich heimlich wie ein Verlierer fühlt. Indem wir die vier
unermesslichen Eigenschaften üben, versuchen wir uns weder von
irgendetwas zu überzeugen, noch versuchen wir unsere wahren Gefühle
zu verbergen. Wir drücken unsere Bereitschaft aus, unsere Herzen zu
öffnen und uns unseren Ängsten zu nähern. Diese Bestrebungen
helfen uns, dies auch in immer schwereren zwischenmenschlichen
Beziehungen zu tun.
Wenn
wir die Liebe, das Mitgefühl, die Mitfreude und den Gleichmut
anerkennen, die wir jetzt fühlen, und durch diese Übungen nähren,
wird die Ausdehnung dieser Eigenschaften von selbst erfolgen. Die
vier Eigenschaften in uns zu erwecken, schenkt uns die Wärme, die
nötig ist, damit grenzenlose Kraft entstehen kann. Sie haben die
Kraft, nutzlose Gewohnheiten zu lockern und die eisige Härte unserer
Fixierungen und Abwehrreaktionen dahinschmelzen zu lassen. Wir
zwingen uns nicht selbst, gut zu sein.
Wenn
wir sehen, wie kalt oder aggressiv wir sein können, verlangen wir
nicht von uns selbst, Reue zu empfinden. Vielmehr entfalten diese
Bestrebungen unsere Fähigkeit, bei jeglichen Erfahrungen, die wir
machen, unerschütterlich zu bleiben. Auf diese Weise erfahren wir
den Unterschied zwischen einem verschlossenen und einem offenen Geist
und entfalten Schritt für Schritt die Selbsterkenntnis und Güte,
durch die wir anderen Nutzen können. Diese Übungen setzen unsere
Liebe und Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut frei und zapfen ihr
grenzenloses Wachstumspotential an ...
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Von
Waylon Lewis*
(Source|Quelle:
elephantjournal.com
Transl.|Übers.:
Nicolas von Kospoth)
____
*
Waylon Lewis, ist
ein amerikanischer Buddhist, Gründer
des "elephant
magazine",
jetzt elephantjournal.com, und Veranstalter
von
"Walkthe Talk Show with Waylon Lewis".
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